Vorweg: Eigentlich war es nahezu perfekt. Wetter top, keine negativen Auffälligkeiten bei den Festivalbesuchern, die Leute am Ausschank gewohnt freundlich, Security super freundlich und entspannt. Dazu tolle Konzerte: Herz, was willst du mehr?!
Leider konnten die Tage vor dem Festival stressiger kaum sein, so dass ich nicht mal wusste, ob ich überhaupt noch hin konnte und wenn ja, wann. Hab es dann aber noch geschafft, vollkommen gestresst und übermüdet in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag kurz nach Mitternacht anzukommen. Das hat dann natürlich in den Knochen gesteckt und konnte ich das Festival über nicht zur Gänze abschütteln. Daher habe ich ein paar Acts mehr geskippt als üblich und wäre unter normalen Umständen wohl noch etwas euphorisierter gewesen.
Nun zum musikalischen. Meine drei Highlights waren:
- Sylvie Kreusch: Eine der ganz wenigen Wiederholungstäter, die mich auch beim zweiten Mal voll gepackt haben. Einfach klasse Musik mit tollen Melodien und komplett eigenem Charme, dazu eine unwiderstehliche Bühnenpräsenz. Nur ihr Bekanntheit beim Haldern hat sie bei der Publikumsanimation wohl etwas überschätzt
- CVC: So hab ich mir walisische Musik schon immer vorgestellt
- Heavy Lungs: Einfach totaler Abriss im Niederrhein-Zelt. Da ging ja mal so richtig die Post ab.
Gut waren:
- To Athena: Die ist eigentlich richtig großartig und würde ich mir nochmal im Spiegelzelt oder auf der Hauptbühne wünschen. Leider haben Schlagzeug und Bass den Sound durch die Akustik in der Kirche total vermatscht. Bei Hauschka war das Problem das Selbe. Dressed Like Boys haben das wohl auch mitbekommen, wenn sie (wie hier gesagt wurde) sich offensichtlich spontan für eine abgespecktere Version ohne Bass und Schlagzeug entschieden haben. Das war irgendwie schon immer das Problem bei der Kirche und ich bin erstaunt, warum da offensichtlich nie draus gelernt wurde. War bei der Kirche daher schon immer etwas zwiegespalten: Die Akustik in der Kirche passt halt nur zu speziellen Acts sehr gut (wie Chor oder Jade Bird alleine mit ihrer Akustikklampfe). Bei Full-Band hat man fast immer miesen Sound, oft gab es aber auch anscheinend extra abgespeckte Auftritte, die hier und da aber zu abgespeckt klangen.
- Radio Free Alice: Sound und Musik waren anfangs eher mittelmäßig, zum Ende hin war aber beides echt gut.
- Bilk: Dufte Truppe mit Oasis-Flair und einem Hauch Oldschool-Punk. Haben Spaß gemacht.
- Man/Woman/Chainsaw: Echt tolle Band mit dem gewissen Etwas. Und dazu noch blutjung. Glaube, wenn die noch 2-3 Jahre "reifen", können die der absolute Hammer werden.
- JACOTÉNE: Einfach eine unglaubliche Stimme und mit ihren 19 Jahren ein Auftreten, als ob sie schon 19 Jahre die großen Bühnen der Welt besingt. Leider nur mit Schlagzeuger und sonst Playback. Da hat einfach was gefehlt dadurch. Ein paar mehr Instrumente hätten den Auftritt definitiv aufgewertet.
- Endless Wellness: Ohne viele Worte: Hat mir einfach sehr gut gefallen.
- Overpass: Hat mich sehr an die Stereophonics zu ihren Anfangszeiten erinnert, allerdings mit deutlich weniger Reibeisenstimme
- Marlo Grosshardt: Toller Auftritt, der seine Messages sehr gut vertont und auch zwischen den Songs gut rüberbringt. Finde ich richtig und wichtig!
- Warhaus: Überraschend sympathischer Auftritt von Vollprofis. Hat mich mehr mitgenommen als erwartet. Aber: Hatten drei großartige Songs, zwei davon waren die mit Sylvie Kreusch. Da merkt man schon, was die mit einbringt.
- Warmduscher: Die haben auch großen Spaß gemacht und für eine ausgelasse Stimmung gesorgt.
- Sarah Julia: Sehr sympathische Mädels mit sehr schöner Musik.
- Being Dead: Schöner, teils verträumter, teils tanzbarer Surf-Pop-Rock mit tollen Melodien. Sehr schön anders als der Rest!
- PALES: Die haben auch gut abgerissen, auch wenn meiner bescheidenen Meinung nach nicht ganz an Heavy Lungs rankamen.
Ein bisschen enttäuscht war ich bei:
- Pem: Hat mir auf Platte sehr gut gefallen, klang in der Kirche aber sehr eintönig.
- Zaho de Zagazon: Ich konnte mich hinstellen, wo ich wollte: Überall wurde (bei den anfangs ruhigen Stücken) lauthals gequatscht. Dadurch bin ich nicht reingekommen und bin entnervt vorzeitig gegangen. Normalerweise hätte ich wohl mehr Durchhaltevermögen bewiesen und wäre vielleicht noch mit Songs entlohnt wurden, die mehr abgehen. Aber wie erwähnt, war sowas diesmal leider nicht drin. Anscheinend gab es irgendwo auch doch bessere Plätze, wenn ich die Aussagen hier im Forum sehe
- Brigitte Calls Me Baby: War eigentlich ein kleiner Favorit bei mir, aber hat live leider nicht so gezündet. Und nicht nur bei mir, sondern auch beim großen Rest vom Spiegelzelt. Vollprofis an den Instrumenten, aber leider keine Spielfreude. Klang ein bisschen wie vom Band. Dazu eine sehr arrogante Art vom Sänger. Passte zwar irgendwie zum Gesamtbild der Band, aber war für die Stimmung nicht förderlich.
Ein paar andere Bands hab ich noch (teilweise) angeschaut, die ganz ok waren. Viele andere hatten mich im Vorfeld nicht interessiert.
Folgende Bands hätte ich mir noch ganz gerne angeschaut, war aber nicht drin wegen Überschneidungen:
Dressed Like Boys, Wu Lyf, Cliffords, Welly, Men An Tol, Mermaid Chunky, Been Stellar
Ich weiß, ich war im Vorfeld nicht ganz so begeistert vom Line-Up wie die meisten hier. Im Endeffekt hat es sich aber wieder als tolles Line-Up auch für mich herausgestellt. In ein paar Bands bin ich nach intensiverem Reinhören noch reingekommen. Und es gab zwar nach wie vor viele Bands, die mich nicht interessiert haben, aber: 1. Wäre mir das am Ende zu stressig geworden, wenn es mehr Bands nach meinem Geschmack gegeben hätte und 2. einige von den Bands hier als Favoriten von anderen im Forum genannt wurden. Von daher alles richtig gemacht beim Booking
Weitere Sachen bezüglich Festival:
1. Grillstand: Damn, den hab ich übersehen. Einen Grillstand hatte ich sogar selber vorgeschlagen letztes Jahr, und dann bemerke ich ihn nicht...
2. Niederrheinzelt: Fand ich diesmal besser als bisher und hab da auch ein paar tolle Konzerte erlebt. Ich stand aber auch etwas anders (und habe vielleicht deswegen keine störenden Geräusche vom Spiegelzelt vernommen? Oder wurde die Außenanlage etwas leiser gedreht?). Die Bar hat aber schon gestört, weil es dort ordentlich zu Gedränge kommt. Das Mischpult könnte auch noch zwei Meter weiter hinter. Wenn das umsetzbar ist, beides zu versetzen (v. a. die Bar), wäre das top. Ach ja, die Sicht auf die Bühne könnte auch besser sein. Vorschlag höhere Bühne kam schon. Wäre natürlich die Kirsche auf der Sahnetorte
3. Auch sehr schön, dass es mehr umgesetzt wurde, Bands von den kleineren Locations noch auf anderen Bühnen spielen zu lassen! Das mindert ein paar blöde Überschneidungen
4. Diskussion um Anpassungen beim Festival: Ich denke auch, dass die Hauptbühne auf jeden Fall bleiben muss. Das ist doch das Herzstück des Festivals! Meiner Meinung hat sich das Festival organisatorisch immer ein kleines Stück weiterentwickelt und dieses Jahr ein bisheriges Optimum erlebt. Von daher wären tiefgreifende Änderungen nicht gut. Wenn man gern mehr Literatur und sonstige Kunst einbringen möchte: Von mir aus gern, aber nicht auf Kosten der Musik. Dafür könnte man z. B. Extra-Tickets verkaufen.
Ich verstehe aber, dass man sich Gedanken macht wegen der finanziellen Planung. Schade, dass es seit Corona so wenig Vertrauen gibt und die Vorverkäufe anscheinend so schleppend laufen und man deswegen Gefahr sieht, bei schlechtem Wetter viel Minus zu machen. Ein paar Ideen wie Crowdfunding, eine erneute "Aktien"-Aktion wie ganz am Anfang oder Merch-Vorverkauf wurden schon genannt. Ich könnte auch gut damit leben, ein paar größere Acts durch kleinere zu ersetzen, um sich einen Puffer aufzubauen. Könnte aber sein, dass dadurch noch weniger Karten verkauft werden... Für mich ist es ein Entdecker-Festival, ich brauche nicht unbedingt größere Namen. Tja, oder Schlechtwetter/Ticket-Klauseln in die Verträge einbauen. Band und Booking-Agenturen werden zwar Sturm laufen dagegen (haha), aber nützt den Bands ja auch nix, wenn es keine Festivals mehr zum Auftreten gibt. Besteht natürlich das Risiko, dass so keine Band mehr kommen will, aber vielleicht muss man sich da mit anderen Festivals zusammen organisieren. Keine Ahnung, was da schon so versucht wurde und wie realistisch sowas ist... Tja, ansonsten kann man noch versuchen, mehr Werbung zu machen. Wie in Zusammenarbeit mit dem Rockpalast früher, mehr eigene Live-Mitschnitte, mehr Social Media, whatever...
@Kenny: Ja, die Live-Mitschnitte fand ich auch super. Glaube, es wurde hier mal gesagt, dass es aus rechtlicher Sicht zu viel Aufwand bedeutet hat.
@all: Gibt es noch Erfahrungsberichte zu Vincent Moon? Hätte mich ja interessiert, war aber für die Kirche zu spät da. Wie lief das Kino/Konzert ab?